Brume, cailloux et métaphysique 1


"Die Metaphysik ist eine Art Poesie, die Andacht ist ihre Ode." (Joseph Joubert) – Ein sehr poetischer Film vom Fuchs im Nebelwald als Ode an die Metaphysik

Ein Fuchs sitzt an ei­nem neb­li­gen Wald­see. Da nä­hert sich eine Ente, tritt an das an­de­re Ufer und lässt Stein­chen über das Was­ser hüp­fen. Sie ent­deckt den Fuchs; die bei­den star­ren sich wort­los an. Ein Ge­wit­ter zieht auf, Re­gen­trop­fen fal­len auf den Fuchs her­ab. Die Ente ist fort. Der Fuchs steht auf, nimmt ein Stein­chen und wirft es. Doch es hüpft kein ein­zi­ges Mal, son­dern ver­schwin­det im See. – Etwa so könn­te man den Film skiz­zie­ren, aber das wäre völ­lig ver­fehlt!

Wie lässt sich über Me­ta­phy­sik mit den Mit­teln der Phy­sik spre­chen? Wie las­sen sich Wor­te für das Un­aus­sprech­li­che fin­den, Bil­der für das Un­ab­bild­ba­re oder Klän­ge für das Un­hör­ba­re?

Zu­nächst ein­mal, in­dem das Zeig­ba­re ge­zeigt wird, die Na­tur nicht zur Sei­te ge­stellt, son­dern in ih­rer gan­zen Macht, be­ein­drucken­den Grös­se und un­er­mess­li­chen Schön­heit zur Er­schei­nung kommt: Der Wald vor Au­gen, das Vo­gel­ge­zwit­scher im Ohr, fri­sche Luft in der Nase und Re­gen­trop­fen auf der Zun­ge, bis auf die Haut (bzw. das Fell) durch­feuch­tet und durch­tränkt von Ne­bel und Re­gen.

Al­ler­dings ist das noch längst nicht al­les: We­der in der Hand­lung, noch in der Na­tur­schil­de­rung – so stark sie auch ist – geht der Film völ­lig auf. In der gröss­ten Er­grif­fen­heit durch die Na­tur öff­net sich der Blick für das, was über sie hin­aus­geht: gren­zen­lo­se Rät­sel, end­lo­se Fra­gen und me­lan­cho­li­sches Sin­nen – und sei es über so ba­na­le Nich­tig­kei­ten wie zu­fäl­li­ge Be­geg­nun­gen oder sprin­gen­de Stein­chen, die über das Was­ser hüp­fen oder un­ter­ge­hen.

Der Film ist über­haupt nicht leicht zu ent­schlüs­seln, ein­zu­ord­nen oder in eine the­ma­ti­sche Schub­la­de zu ver­sor­gen. Den­noch oder ge­ra­de des­halb eig­net er sich zur Be­ar­bei­tung be­reits mit Kin­dern ab 6 Jah­ren. Mit Fuchs und Ente sind Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gu­ren vor­han­den, mit de­nen auch klei­ne­re Kin­der gut ei­nen Zu­gang zum Film fin­den.

An­hand der bei­den Haupt­fi­gu­ren könn­te der Film zu­nächst nach­er­zählt wer­den, zu­nächst die sicht­ba­ren Ge­scheh­nis­se, dann das Er­le­ben, Füh­len und Den­ken des Fuchs' und der Ente. Aus­ge­hend da­von ("wor­über denkt der Fuchs nach?") sind phi­lo­so­phi­sche Ge­sprä­che in der Klas­se mög­lich, auch ent­lang von As­so­zia­tio­nen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler.

Dazu ei­ni­ge As­so­zia­tio­nen, Über­le­gun­gen und Ma­te­ria­li­en von mei­ner Sei­te:

Wilhelm Hey (1798–1854): Fuchs und Ente

F. Frau Ente, was schwimmst du dort auf dem Teich?
Komm doch ein­mal her an das Ufer gleich;
Ich hab dich schon lan­ge was wol­len fra­gen.

E. Herr Fuchs, ich wüß­te dir nichts zu sa­gen;
du bist mir so schon viel zu klug.
drum bleib ich dir lie­ber weit ge­nug.

Herr Fuchs der ging am Ufer hin
und war ver­drieß­lich in sei­nem Sinn.
Es lü­ste­te ihn nach ei­nem Bra­ten,
das hat­te die Ente gar wohl er­ra­ten.
Heut hätt er so ger­ne schwim­men kön­nen;
nun mußt er ihr doch das Le­ben gön­nen.

Wil­helm Hey, https://​de​.wik​is​our​ce​.org/​w​i​k​i​/​F​u​c​h​s​_​u​n​d​_​E​nte

Kurt Marti (1921–2017): ar aare

fis­le
schi­fe­re chis­le
küen
über ds grüen
vo dr aare

d chis­le hei flü­gel
d aare het zyt
wäl­der und hü­gel
al­les wird wyt

Kurt Mar­ti, https://​de​.wi​ki​quo​te​.org/​w​i​k​i​/​K​u​r​t​_​M​a​rti

… und schrift­deutsch:

knirp­se
flit­schen kie­sel
kühn
über das grün
der aare

die kie­sel ha­ben flü­gel
die aare hat zeit
wäl­der und hü­gel
al­les wird weit

Kurt Mar­ti, https://​de​.wi​ki​quo​te​.org/​w​i​k​i​/​K​u​r​t​_​M​a​rti

Kieselsteine und dumme Ente

Das harm­lo­se – und zu­ge­ge­ben lu­sti­ge – Spiel­chen "Stein­chen hüp­fen las­sen" heisst auf fran­zö­sisch "fai­re des ri­co­che­ts", also "Ab­pral­ler ma­chen", auf eng­lisch "ma­king ducks and dra­kes", also "En­ten und Er­pel ma­chen". Kie­sel­stein­chen und Ente, caill­oux et ca­nard ge­hö­ren zu­sam­men: Der ge­wis­ser­mas­sen "ober­fläch­li­che" Zeit­ver­treib passt in sei­ner spie­le­ri­schen Harm­lo­sig­keit zu der sprich­wört­lich dum­men und et­was zap­pe­li­gen Ente. Die Ente bleibt an der spie­geln­den Ober­flä­che und dringt nicht wirk­lich in die Tie­fe des Was­sers vor, ge­schwei­ge dar­über hin­aus in die Sphä­ren der Me­ta­phy­sik. Vgl. auch Do­nald Duck. Aus­ser­dem na­tür­lich: Ente = fake news.

Nebel und schlauer Fuchs

Dem däm­me­rungs­ak­ti­ven Fuchs däm­mert so ei­ni­ges, pas­sen­der­wei­se schleicht er durch den my­ste­riö­sen Ne­bel. Ne­bel und Fuchs, bru­me et re­nard ge­hö­ren zu­sam­men: Der sprich­wört­lich schlaue und et­was ge­heim­nis­vol­le Fuchs sieht mehr, als vor Au­gen ist. Er ist zwar was­ser­scheu und kann nicht schwim­men, aber er weiss um die Tie­fe des Was­sers und die ver­bor­ge­ne Welt jen­seits der spie­geln­den Ober­flä­che, de­ren To­ren ihm me­ta­phy­sisch ver­schlos­sen sind. In der Bil­der- und Sym­bol­welt der Film­au­torin Lisa Ma­tus­zak spielt der Fuchs im­mer mal wie­der eine Rol­le, sei es als Jä­ger und Ver­fol­ger (vgl. den Film Sui­vie – lei­der nicht mehr on­line), sei es als Ent­decker des­sen, was hin­ter dem Ne­bel und un­ter der Was­ser­ober­flä­che liegt (vgl. den Film TUBA). Vgl. auch Fix und Foxi.

Schliesslich

Was man auch mal wie­der ma­chen könn­te, wäre: lu­sti­ge Stein­chen sprin­gen las­sen, zum Bei­spiel an der Aare, oder bei Re­gen im Wald sit­zen, so rich­tig nass wer­den und nach­schau­en, wo­her die fal­len­den Trop­fen kom­men und so …


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Ein Gedanke zu “Brume, cailloux et métaphysique

  • Stefan Krucker

    Vie­len Dank für das Zu­sam­men­stel­len all die­ser zahl­rei­chen su­per Kurz­fil­me! Und auch noch mit je­wei­li­gen Kom­men­ta­ren, ich bin Fan von die­ser Home­page! Bru­me, caill­oux et mé­ta­phy­si­que hat es mir ge­ra­de be­son­ders an­ge­tan…