Horse 1


"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.” – Zum entspannten Galopp ins Glück sind Hufeisen, Glücksbringer oder Fetische eigentlich nur Stolpersteine

Die Son­ne scheint, die Blu­men blü­hen, die gan­ze Welt ist ro­sa­rot für den schö­nen Schim­mel, der in ent­spann­tem Ga­lopp das Le­ben ge­niesst, Schmet­ter­lin­ge be­wun­dert und fröh­lich vor sich hin lä­chelt. Die gol­de­nen Huf­ei­sen strah­len wie die Son­ne, aber ach: Das eine ist wohl locker!

Das Ross hält inne, den Vor­der­fuss an­ge­ho­ben, und be­ob­ach­tet er­staunt, wie das Ei­sen von sei­nem Huf fällt. – So ein Pech!

Da ver­dun­kelt sich der Him­mel, schlies­sen sich alle Blü­ten, ver­schwin­den alle Schmet­ter­lin­ge. Über dem Pferd er­scheint eine Wol­ke und es reg­net über das schö­ne Ross her­ab. – Welch ein Un­glück!

Mit ei­nem bö­sem Blick nach oben schrei­tet das Pferd da­von, doch es kann der Wol­ke nicht ent­rin­nen. Die Re­gen­wol­ke bleibt nicht am Ort, son­dern be­glei­tet mit ih­rem Re­gen­guss das arme Ross. Das ist nicht ein­fach schlech­tes Wet­ter, son­dern hat mit ge­nau die­sem ei­nen Pferd zu tun, dem schö­nen Schim­mel, ganz per­sön­lich. – Schlech­tes Kar­ma!

Ge­nervt läuft das Pferd hin und her. Da liegt das ver­lo­re­ne Huf­ei­sen: Viel­leicht …? Ja, das hilft! Huf­ei­sen an: Son­nen­schein, Blü­ten und Schmet­ter­lin­ge. Huf­ei­sen ab: Re­gen­wet­ter und al­les trist. Son­nen­schein, Re­gen­wet­ter, Son­nen­schein, Re­gen­wet­ter. Das Huf­ei­sen – Glücks­brin­ger, ja Fe­tisch!

Nun hat so ein Ross ja be­kannt­lich vier Bei­ne und ent­spre­chend auch vier Huf­ei­sen, das macht die Sa­che zu­nächst kom­pli­zier­ter und dra­ma­ti­scher – mit Ha­gel und Ge­wit­ter vor dun­kel­vio­let­tem Him­mel –, aber bie­tet schliess­lich eine be­frei­en­de Wen­de, nach der – ganz ohne Ei­sen, Glücks­brin­ger oder Fe­tisch – das Ga­lop­pie­ren ent­spann­ter wird als je zu­vor.

Wie alle Ani­m­ani­mals-Fil­me eig­net sich auch "Hor­se" für Kin­der ab 4 Jah­ren. Doch auch mit äl­te­ren Kin­dern und Ju­gend­li­chen gibt es mit die­sem Film ei­ni­ges zu ent­decken.

All­ge­mein emp­feh­le ich bei der Ar­beit mit Film die Ab­fol­ge Vi­sio­nie­rung, (zu Be­ginn an­ge­kün­dig­ter) Aus­tausch in Mur­mel­grup­pen, Re­ka­pi­tu­la­ti­on bzw. Nach­er­zäh­lung im Ple­num und schliess­lich Be­ar­bei­tung aus­ge­wähl­ter Schwer­punk­te. Im Fol­gen­den gebe ich ei­ni­ge Hin­wei­se zu sol­chen aus­ge­wähl­ten Schwer­punk­ten, die je nach Al­ters­grup­pe ver­schie­den aus­ge­wählt, an­ge­spro­chen, be­ar­bei­tet und ver­tieft wer­den kön­nen.

Erfahrungen und Begriffe von Unglück und Glück

In Grup­pen wer­den zu­nächst ei­ge­ne Er­fah­run­gen von Un­glück und Glück aus­ge­tauscht, im An­leh­nung an den Film könn­te der Auf­trag lau­ten, ein­an­der Er­fah­run­gen zu be­rich­ten, in de­nen "aus Un­glück Glück wur­de", oder auch: Er­fah­run­gen von "Glück im Un­glück".

Mit äl­te­ren Kin­dern könn­te das nun zur Ver­fü­gung ste­hen­de Er­fah­rungs­ma­te­ri­al her­an­ge­zo­gen wer­den, um Be­grif­fe zu klä­ren und zu ord­nen. Je nach Al­ter und Klas­se schwir­ren ei­ni­ge Be­grif­fe mög­li­cher­wei­se be­reits her­um, müs­sen noch zu­sam­men­ge­tra­gen wer­den oder kön­nen als un­ge­ord­ne­te Li­ste von Be­grif­fen vor­ge­legt wer­den – hier al­pha­be­tisch (und den­noch un­voll­stän­dig):

Be­dräng­nis, Be­frei­ung, De­ba­kel, De­sa­ster, Durch­bruch, Du­sel, Elend, Er­folg, Er­lö­sung, Fehl­schlag, Fi­as­ko, Fluch, Fü­gung, Geis­sel, Ge­winn, Glück, Gna­de, Heil, Heim­su­chung, Kar­ma, Ka­ta­stro­phe, Kum­mer, Leid, Mas­sel, Miss­erfolg, Miss­glück, Not, Pan­ne, Pech, Pein, Pla­ge, Prü­fung, Rein­fall, Ret­tung, Schei­tern, Schlag, Schick­sal, Schlap­pe, Schuld, Schwein, Se­gen, Sieg, Tri­umph, Un­glück, Un­heil, Ver­ge­bung, Ver­häng­nis, Ver­sa­gen, Vor­se­hung, Wen­dung, Wohl, Wohl­be­fin­den, Zu­fall

Konzepte über die Herkunft menschlichen Unglücks und Glücks

Was in ei­ni­gen der oben ge­nann­ten Be­grif­fe be­reits an­ge­klun­gen ist, könn­te nun auch ex­pli­zit the­ma­ti­siert wer­den: Wel­che Er­klä­rungs­mu­ster gibt es für mensch­li­ches Un­glück und Glück? Oder an­ders: Wie er­klä­re ich mir Un­glück und Glück, das ich er­fah­re?

Es gibt zahl­lo­se Sprich­wör­ter, die All­tags­weis­hei­ten und re­li­giö­se Vor­stel­lun­gen über Her­kunft und Er­klä­rung von mensch­li­chem Glück und Un­glück in knap­per Form ver­dich­ten (vgl. etwa apho​ris​men​.de). Die fol­gen­de Aus­wahl von sie­ben Sprich­wör­tern bzw. Apho­ris­men deckt eine ge­wis­se Spann­brei­te ver­schie­de­ner Er­klä­rungs­mu­ster ab:

  • "Je­der ist sei­nes Glückes Schmied."
  • "Der Mensch denkt, Gott lenkt."
  • "Nie­mand ent­geht sei­nem Schick­sal."
  • "Was du säest, wirst du ern­ten."
  • "Auch der Tüch­ti­ge braucht Glück."
  • "In die­ser Welt be­rei­test du dein Schick­sal für die näch­ste vor."
  • "Er­stens kommt es an­ders, zwei­tens als man denkt."

In Grup­pen könn­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein­zel­ne Sprich­wör­ter un­ter­su­chen: Wie wird mensch­li­ches Glück und Un­glück in die­sem Satz er­klärt? Wo habe ich die­se Er­klä­rung evtl. schon ein­mal ge­hört? (Für Ju­gend­li­che: Aus wel­chen Glau­bens- und Denk­tra­di­tio­nen stammt die­ser Satz?) So­wie: Kann ich die Er­klä­rung per­sön­lich nach­voll­zie­hen? Den­ke ich das auch so – oder ganz an­ders? Wie wür­de ich Glück und Un­glück in mei­nem Le­ben er­klä­ren? Wie lies­sen sich mei­ne Er­fah­run­gen und Über­le­gun­gen zu ei­nem Sprich­wort ver­dich­ten?

Hufeisen: Zeichen, Talisman, Amulett, Fetisch?

Ein an­de­rer, stär­ker an Bild­spra­che und Plot des Films ori­en­tier­ter Aus­gangs­punkt für die un­ter­richt­li­che Ar­beit am Film könn­ten die Huf­ei­sen sein. Be­reits klei­ne Kin­der wer­den das Huf­ei­sen als Glücks­zei­chen, Glücks­brin­ger oder Ta­lis­man ken­nen: Wel­che wei­te­ren Glücks­zei­chen ken­ne ich? Wel­che Glücks­brin­ger habe ich per­sön­lich? Wie gehe ich mit mei­nen Glücks­brin­gern um?

Grös­se­re Kin­der kön­nen im In­ter­net nach Glücks­brin­gern re­cher­chie­ren: Wel­che Din­ge gel­ten – ne­ben Huf­ei­sen – als Glücks­brin­ger? Wo­her kommt die Vor­stel­lung, dass Huf­ei­sen – und an­de­re Din­ge – Glück brin­gen?

So­dann könn­te ein zwei­ter Blick in den Film in­ter­es­sant sein. Wel­che Rol­le spie­len die Huf­ei­sen im Film: Zei­chen? Glücks­brin­ger? Zau­ber­ge­rä­te?

Im Film ist das Huf­ei­sen ein­deu­tig mehr als nur ein Zei­chen für Glück. Es ist min­de­stens ein Glücks­brin­ger, ein Ta­lis­man: Mit Son­nen­schein, Blü­ten und Schmet­ter­lin­gen bringt das Huf­ei­sen dem Ross Glück. Mehr noch: Das Huf­ei­sen ver­treibt auch al­les Un­glück, das als Re­gen, Ha­gel, Ge­wit­ter und dunk­len Him­mel da­her­kommt. Das Huf­ei­sen bringt Glück und ver­treibt Un­glück, es ist ein Amu­lett! Bei ge­naue­rer Be­trach­tung der Sze­ne, in der das Ross per An- und Ab­le­gen des Huf­ei­sens das Wet­ter ma­ni­pu­lie­ren kann, wird deut­lich, dass dem Ei­sen am Hufe des Pfer­des wahr­haft ma­gi­sche Kräf­te in­ne­woh­nen. Das Huf­ei­sen ist nicht nur ein harm­lo­ser Glücks­brin­ger und Un­glücks­ver­trei­ber, son­dern ein macht­vol­les Zau­ber­mit­tel: ein Fe­tisch! In­so­fern eig­net sich der Film auch zum Ein­stieg in die Klä­rung des Be­griffs "Fe­tisch" in Ab­gren­zung zu Ta­lis­man und Amu­lett mit Ju­gend­li­chen ab Klas­se 9 bzw. auf der Se­kun­dar­stu­fe II.

Al­ler­dings: Das Ende des Films stellt dies al­les völ­lig auf den Kopf. Als das Ross nach dem Ver­lust al­ler vier Huf­ei­sen zit­ternd und mit ge­schlos­se­nen Au­gen den Un­ter­gang er­war­tet, wird es ent-täuscht. Der to­ta­le Ver­lust al­ler Zau­ber­mit­tel führt nicht ins Ver­der­ben, son­dern ins Glück! Jeg­li­ches In­ter­es­se des Pferds an den Huf­ei­sen ist er­lo­schen. Es ga­lop­piert freu­dig da­von und lässt die gold glän­zen­den Din­ger zu­rück. Das höch­ste Glück die­ser Erde … ist nur ohne Din­ge zu ha­ben.

Der Mensch und die Dinge

Da­mit lässt sich der Film schliess­lich auch noch als eine Pa­ra­bel über Mensch und … (tja, so vie­les: Din­ge, Hilfs­mit­tel, Werk­zeu­ge, Me­di­en, Ge­rä­te, Tech­nik) le­sen.

Klar, für den Co­ro­na-Fern­un­ter­richt ist eine lah­me In­ter­net-Lei­tung, ein ka­put­ter Com­pu­ter oder ein lee­rer Akku ein gros­ses Un­glück. Aber wenn wir uns dann end­lich wie­der in der Schu­le, am Ar­beits­platz, auf dem Spiel­platz, im Park, Kino, Re­stau­rant, in der Bar, Dis­co und über­all tref­fen kön­nen – di­stanz­los, un­di­stan­ziert und sehr so­cial –, wird das so ein rech­tes Glück sein, ganz ohne die­se gold glän­zen­den Din­ger!

Weitere Hinweise

Die DVD "Iden­ti­tät: Selbst­be­wusst­sein, In­di­vi­dua­li­tät, Acht­sam­keit" vom Ka­tho­li­schen Film­werk ent­hält ne­ben dem Film "Hor­se" bzw. dort "Pferd" das auch on­line zu­gäng­li­che Ar­beits­ma­te­ri­al von Man­fred Karsch.

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Bibliothekarische Bestellung des Films


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