Phasen des Filmgesprächs


Bei der Arbeit mit Film treffen in Filmvisionierung und Filmgespräch zwei wesentlich zu unterscheidende Situationen unmittelbar aufeinander. Visionierung und Gespräch lassen sich in vielerlei Hinsicht als Gegensätze beschrieben:

FilmvisionierungFilmgespräch
DunkelheitHelligkeit
IchGruppe
frontalmultilateral
fokussiertdiffus
multimedialverbal
emotionalintellektuell
filmische Wirklichkeitunsere Lebenswelt
weiterentwickelt nach: Haider, Franz / Sautter, Sabine (2005): Kino- und Filmarbeit 1. Hilfreiche Materialien und Adressen, muk-Publikationen 26, München, 11.

Diese Unterscheidung zweier gegensätzlicher Interaktionsformen gilt nicht nur für Langfilme, sondern auch für Kurzfilme.

Ein Filmgespräch – in der Regel im Anschluss an die Visionierung – gliedert sich daher sinnvollerweise in mehrere Phasen, mit denen der Übergang vom Film zur Gesprächssituation schrittweise und verlangsamt gestaltet werden kann.

a.    emotional bewältigen

Die Gelegenheit zum freien Austausch zu Zweit oder in spontanen Kleinstgruppen („Murmelgruppen“) erleichtert den Einstieg ins Gespräch. Evtl. können dazu Leitfragen abgegeben werden, die zunächst auf den persönlichen Zugang zum Film abzielen.

Für diesen ersten Schritt ist es sinnvoll, keine starken Methoden einzusetzen, sondern den Teilnehmerinnen und Teilnehmern grösstmöglichen Freiraum zu lassen.

  • Was ist mir zuvorderst?
  • Was hat mir gefallen, was hat mich beeindruckt, was hat mich geärgert?
  • Was hat mich irritiert, was ist mir unklar, was beschäftigt mich?
  • Welche Situationen, Szenen, Bilder, Personen des Films rufen Gefühle in mir hervor?

b.    rekonstruierend nachvollziehen

In einer zweiten Phase – bei wachsenden Gruppengrössen, eventuell schon im Plenum – ist es hilfreich, sämtliche Fragen zum Verlauf des Films und zu den Zusammenhängen der einzelnen Szenen und Figuren zu klären. Im Extremfall muss der Film vollständig nacherzählt und rekonstruiert werden, um eine Basis für das eigentliche Verständnis des Films zu schaffen.

  • Was ist zu sehen? Was geschieht im Film?
  • Welche Figuren kommen vor, wie verhalten sie sich, wie interagieren sie?
  • In welcher Reihenfolge und mit welcher Kausalität verlaufen die Geschehnisse? Was sind die Zwänge in der filmischen Realität?

c.    filmsprachlich analysieren

Nun kann sich eine Filmanalyse anschliessen, in der die spezifisch filmsprachlichen Mittel untersucht werden, mit denen der Film zu seiner Aussage kommt.

Für diesen Schritt sind Kenntnisse über Techniken des Filmemachens sehr hilfreich oder sogar erforderlich.

  • Bild: Ausstattung, Personen, Umgebung, Cadrage, Komposition, Kamera, Licht, Farbe, Schnitt, Montage, Blenden etc.
  • Ton: On, Off, Geräusche, Sprache, Musik, Montage etc.
  • Erzählung: Vorspann, Abspann, Handlung, Erzählperspektive, Erzählte Zeit, Zeitebenen etc.

d.    interpretierend deuten

In einer abschliessenden Phase, für deren kreative Tätigkeit wieder Kleingruppen sinnvoll sind, werden die Handlungsverläufe, Kausalitätszusammenhänge und „Ergebnisse“ des Films in einer Gesamtschau betrachtet und gedeutet. Eine solche Gesamtschau kann aus verschiedenen Perspektiven geschehen und dementsprechend sind vielleicht mehrere verschiedene Interpretationen des Films möglich und vorstellbar.

  • Wie wird die Welt im Film beschrieben und gezeigt?
  • Welches sind die wichtigsten Szenen/Aussagen/Stichwörter/Bilder/Schnitte?
  • Worum geht es? Was sind die Themen?
  • Wo ist der (aktuelle) Lebens- und Weltbezug des Themas?
  • Was ist die Anfrage/Kritik/Aussage/Forderung des Films?