Spring Jam 1


"Kwiii!" – Der bunte Film mit seiner actionreichen und zugleich berührenden Geschichte macht grossen Spass. Bild und Ton geben einiges zu entdecken und auf der narrativen Ebene sind Erwachsenwerden und Freundschaft zentrale Themen.

Ein ver­schnei­ter Gip­fel vor ei­nem tür­kis­far­be­nen Him­mel. Mit lau­tem Ge­flat­ter fliegt ein ele­gan­ter schwar­zer Vo­gel her­bei. Er trägt eine no­ble weis­se Hals­krau­se und ruft per Block­flö­ten­stim­me und Klick­lau­ten zum Ge­sang – und in ei­nem wohl­klin­gen­den Ak­kord ant­wor­ten die an­de­ren Vö­gel von über­all her. Sie sit­zen schon alle be­reit, nur das Di­ri­gen­ten­pult ist noch frei. Ge­klap­per mit dem Takt­stock, ein Ak­kord, das Kon­zert kann be­gin­nen! In voll­ende­tem Ba­rock: Jo­hann Se­ba­sti­an Bachs Bran­den­bur­gi­sches Kon­zert Nr. 4 in G‑Dur, von den Ge­weih­spit­zen ei­nes präch­ti­gen Hir­sches, der mit ma­je­stä­ti­scher Wür­de durch den Wald schrei­tet. Ein zwei­ter Hirsch mit dem Ge­weih voll sin­gen­der Vö­gel kommt aus ei­nem an­de­ren Tal und die bei­den stei­gen hin­auf auf zwei Fels­vor­sprün­ge hoch oben und las­sen ihr wun­der­ba­res Kon­zert von dort er­klin­gen.

Auch der noch völ­lig ver­schla­fe­ne Ju­ni­or-Hirsch, der ge­ra­de erst sein Ge­schnar­che un­ter­bricht, als er vom Kon­zert der Er­wach­se­nen er­wacht, lä­chelt zu­frie­den: So eine schö­ne Mu­sik! Und auch er macht sich auf: Mit mu­ti­gem und et­was plum­pen Ga­lopp nä­hert er sich ei­nem klei­ne­ren Fels­vor­sprung. Auf sei­nen noch sehr pu­ber­tär-knub­be­li­gen Hörn­chen – von Ge­weih kann da wohl noch kei­ne Rede sein – ruht ein schla­fen­der Kiwi. Fröh­lich lä­chelnd schüt­telt das Hirsch­lein den Kopf, um den schla­fen­den Kiwi zur Mit­wir­kung am Kon­zert zu er­mun­tern. Da reckt der Kiwi sei­nen Schna­bel em­por und lässt sei­nen schril­len Pfiff er­tö­nen!!!

Es wird still im Wald: Wie pein­lich! End­lo­se stil­le Blicke auf den ju­gend­li­chen Hirsch. – Die bei­den Er­wach­se­nen wen­den sich wie­der ab und set­zen rou­ti­niert das Kon­zert fort. War's das?

Nein, der Ju­ni­or lässt sich nicht so leicht von den Al­ten de­mü­ti­gen. Aus­ge­löst durch ei­nen klei­nen Wut­an­fall über­stür­zen sich die Er­eig­nis­se nun fast ein we­nig. Und nach Berg­sturz, tie­fem Fall, Zu­sam­men­tref­fen mit ei­nem Jä­ger, Rund­tour mit dem Wohn­wa­gen, schwe­re­lo­sem Mo­ment, Bad im Berg­see, Höh­len­wan­de­rung mit Glüh­würm­chen-Il­lu­mi­na­ti­on so­wie ei­nem er­neu­ten Sturz und Scha­den­fall des Plat­ten­spie­lers kom­men die Ge­scheh­nis­se für den Junghirsch doch noch – with a litt­le help from my fri­end – zu ei­nem sehr schö­nen Ende, an dem auch die jun­gen Da­men er­freut auf­hor­chen.

Der bun­te, bil­der­rei­che und sehr mu­si­ka­li­sche Film mit sei­ner ac­tion­rei­chen und zu­gleich be­rüh­ren­den Ge­schich­te macht Men­schen ab ca. 6 Jah­ren gros­sen Spass und eig­net sich vor­treff­lich auch zur un­ter­richt­li­chen Be­ar­bei­tung. Bild und Ton ge­ben ei­ni­ges zu ent­decken, auf der nar­ra­ti­ven Ebe­ne sind Er­wach­sen­wer­den und Freund­schaft zen­tra­le The­men – und wer mag, kann im An­schluss an den Film die Geo­gra­fie, Flo­ra und Fau­na Neu­see­lands ent­decken.

Der Ton

Um die äus­serst an­re­gen­de Ton­spur des Films sorg­fäl­tig zu er­kun­den, an­schlies­send mit umso grös­se­rer Freu­de die Bil­der zu ent­decken – und auf die­se Wei­se den gan­zen Film so rich­tig ge­nies­sen zu kön­nen –, schla­ge ich ei­nen et­was un­kon­ven­tio­nel­len Weg der Film­be­ar­bei­tung vor: Ein­satz mit der Ton­spur. Be­reits die­se ist näm­lich sehr auf- und an­re­gend, hier ist sie:

Wer ge­nug Zeit hat, könn­te die ge­sam­te Ton­spur ein­mal mit der Klas­se an­hö­ren und an­schlies­send nach dem "Kopf­ki­no" der Kin­der fra­gen: Was ist da al­les ge­sche­hen? Was habt Ihr "ge­se­hen"? Er­zählt!

Bei ei­nem zwei­ten Durch­gang (noch ein­mal Ton­spur) er­hal­ten die Kin­der den Auf­trag, ihre Ge­schich­te de­tail­lier­ter aus­zu­ge­stal­ten. Da­bei macht es Sinn, die Ton­spur in Etap­pen zu hö­ren. Ich schla­ge fünf Tei­le vor: 0'00''–1'10'' / 1'10''–2'00'' / 2'00''–3'05'' / 3'05''–4'05'' / 4'05''–5'08'' (ohne Ab­spann). Wer we­nig Zeit hat, setzt gleich mit die­sem zwei­ten Schritt ein.

In je­dem Fall ist es nun in­ter­es­sant, we­nig­stens ei­ni­ge Kin­der ihre "Kopfkino"-Geschichte er­zäh­len zu las­sen. Und wer ganz ganz viel Zeit hat, könn­te die Ge­schich­ten der Kin­der nun noch zeich­nen las­sen – zum Bei­spiel ein Bild pro Ton­spur-Etap­pe – und am Ende gibt es eine Aus­stel­lung mit Ton.

Der Film

Ir­gend­wann darf die Klas­se dann den gan­zen Film se­hen. Wenn die Ar­beit mit der Ton­spur als "Ar­beit an ei­nem Hör­spiel" ein­ge­führt wur­de, wird die Über­ra­schung nun sehr freu­dig sein, dass es ei­nen rich­ti­gen Film zu er­le­ben gibt. Dazu bin ich si­cher, dass die vor­he­ri­ge Be­schäf­ti­gung mit dem Ton nun den Ge­nuss des Films ganz we­sent­lich stei­gert. Wie im­mer bie­tet sich nach der Vi­sio­nie­rung eine of­fe­ne und un­ge­ord­ne­te Mur­mel­run­de zum Aus­tausch der viel­fäl­ti­gen per­sön­li­chen Ein­drücke an, die nicht alle für die Wei­ter­ar­beit re­le­vant sind.

Die Ge­schich­te des Films kann nun eben­falls nach­er­zählt wer­den, evtl. auch hier mit ei­nem Bild pro (Ton­spur-) Etap­pe (s. o.) oder noch mehr Bil­dern. Pas­sen­de Film­stills las­sen sich leicht her­stel­len, ei­ni­ge fin­den sich hier:

Coming of Age

Die fil­mi­sche Nar­ra­ti­on als Gan­zes könn­te schliess­lich un­ter dem Aspekt der Co­ming-of-Age-Sto­ry in den Blick ge­ra­ten.

Dazu wer­den zu­nächst die film­sprach­li­chen Ele­men­te zu­sam­men­ge­tra­gen, die den jun­gen Hirsch als ju­gend­lich und un­reif mar­kie­ren – und durch die er deut­lich von den Er­wach­se­nen un­ter­schie­den ist: Mor­gend­li­che Schläf­rig­keit, man­geln­de Pracht des Ge­weihs und in Fol­ge des­sen kein an­stän­di­ges Vo­gel-Or­che­ster, zwie­lich­ti­ge Freun­de mit schrä­gen Tö­nen, über­haupt schma­ler Wuchs, zap­pe­li­ge Be­we­gun­gen, Wut­aus­brü­che, Aben­teu­er­lust und wil­de Ge­fah­ren.

An­de­rer­seits wird der Film vom glor­rei­chen Ende her be­trach­tet: Was sind die Er­folgs­fak­to­ren des her­an­wach­sen­den Hirschs? – Al­les in al­lem führt er ein er­eig­nis­rei­ches und wil­des Le­ben vol­ler Tem­po. Im­pro­vi­sa­ti­ons­kunst, Non­kon­for­mis­mus und Freund­schaft füh­ren zu ei­nem gu­ten Ende, das nicht nur den jun­gen Hirsch, son­dern auch den Ton im Wal­de – und also die Welt – grund­le­gend ver­än­dert.

Die Span­nung zwi­schen ju­gend­li­cher Un­rei­fe und zu­kunfts­er­öff­nen­der Über­ra­schung ma­chen die Sprit­zig­keit des gan­zem Films aus und sind für alle Al­ters­grup­pen be­glückend und er­mu­ti­gend.

Freundschaft

Zu­sätz­lich kann die nar­ra­ti­ve Ebe­ne des Films auch un­ter dem Aspekt Freund­schaft ge­le­sen wer­den. Glück­li­cher­wei­se ist der jun­ge Hirsch ja nicht ganz al­lein, son­dern wird we­nig­stens an den her­aus­ra­gen­den Mo­men­ten der Ge­schich­te, am Tief­punkt wie am glor­rei­chen Ende der Hel­den­rei­se, von sei­nem schläf­ri­gen Freund, dem Kiwi, be­glei­tet und un­ter­stützt.

Eine lust­vol­le Auf­ga­be wäre, die Ge­schich­te aus der dop­pel­ten Per­spek­ti­ve des Kiwi und des jun­gen Hirschs zu er­zäh­len. Viel­leicht so: In Grup­pen wird die Ge­schich­te ei­ner­seits aus der Per­spek­ti­ve des Junghirschs und an­de­rer­seits aus der des Kiwi nach­emp­fun­den und ‑er­zählt. Da­bei soll­ten auch schwie­ri­ge Mo­men­te zur Spra­che kom­men, in de­nen die Freund­schaft ge­fähr­det war und in Fra­ge stand. An­schlies­send wer­den je eine Ver­tre­te­rin oder ein Ver­tre­ter der bei­den Grup­pen zu­sam­men­ge­stellt: Im Ple­num be­rich­ten sie – zwei­stim­mig als Freun­din­nen und Freun­de – die Ge­schich­te ih­rer Freund­schaft.

Heimatkunde auf neuseeländisch

Mög­li­cher­wei­se ist die­se Idee für mit­tel­eu­ro­päi­sche Schul­stu­ben nicht so na­he­lie­gend, aber aus­ge­hend vom Film doch sehr an­ge­zeigt. Ned Wen­lock, der Ma­cher die­ses Films, hat mir ge­schrie­ben:

"The film is a jour­ney th­rough a ty­pi­cal NZ na­tio­nal park with all the sights you would nor­mal­ly see. Also the birds are all na­ti­ve NZ birds and can be sear­ched."

Ned Wen­lock

Ich möch­te hier we­nig­stens die Web­site des De­part­ment of Con­ser­va­ti­on er­wäh­nen, auf der es In­for­ma­tio­nen zu den ver­schie­de­nen na­tür­li­chen Le­bens­räu­men und zur Flo­ra und Fau­na Neu­see­lands zu ent­decken gibt. Be­son­ders emp­feh­le ich die Ab­tei­lung "Na­ti­ve Ani­mals" und dort "Birds" mit zahl­rei­chen In­for­ma­tio­nen, Bil­dern so­wie Au­dio-Da­tei­en von Vo­gel­stim­men, die evtl. be­reits aus dem Film be­kannt sind. www​.doc​.govt​.nz/​n​a​t​u​re/

Material

Hier fin­det sich das Press Kit zum Film:

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(to Vera and all her fri­ends she found du­ring her stay 2018/2019 in Tawa/NZ)


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