What do machines sing of?


"Wovon singen Maschinen?" – Die hier filmisch dokumentierte Installation ist eigentümlich berührend und zutiefst erschütternd. Sie wirft zunächst ein betrübliches Bild auf die menschliche Vorliebe für schwülstige Balladen und ihre mediale Inszenierung. Vor allem stellt sie einigermassen schmerzhafte Fragen nach Wirklichkeit, Echtheit, Wahrheit und danach, was den Mensch zum Mensch macht.

Der Raum weiss-grau im Kunst­mu­se­ums-Style: zwei sach­lich-schwar­ze Me­tall­stän­der, die ei­nen eben­falls schwar­zen Com­pu­ter-Mo­ni­tor tra­gen – auf der Höhe ei­nes mensch­li­chen Kopfs. Da­vor sorg­fäl­tig aus­ge­rich­tet ein Mi­kro­phon-Stän­der mit Mi­kro­phon, schwarz. Die­se Ma­schi­ne singt: Auf schwar­zem Grund schreibt sie mit ei­ner weis­sen Re­tro-Com­pu­ter­schrift den Song­text auf den Screen. Und wie ei­nen Mund be­wegt sie dar­un­ter ei­nen weis­sen Schlitz auf und zu. Die Töne, die sie her­vor­bringt, sind nicht ma­schi­nell und auch nicht mensch­lich, und doch ent­setz­lich be­rüh­rend. Auf der Rück­sei­te ein zwei­ter Mo­ni­tor, der den hy­bri­den Ma­schi­nen­ge­sang in rasch über den Screen lau­fen­den Pro­gramm­zei­len, in Wel­len­form und als Fre­quenz­spek­trum ab­bil­det.

Für den Un­ter­richt bie­tet sich an, zu­nächst der Fas­zi­na­ti­on – und falls vor­han­den: dem Ent­set­zen – nach­zu­ge­hen: Wie ge­fällt Euch die Mu­sik? Wie ge­fällt Euch die Ma­schi­ne? Wel­che Ge­füh­le und Emo­tio­nen wer­den bei Euch ge­weckt? – Auch wenn in die­ser In­stal­la­ti­on er­heb­li­cher mensch­li­cher Auf­wand steckt, ge­nügt of­fen­bar doch er­schreckend we­nig, um den Ein­druck von mensch­li­cher Ge­stalt, Per­so­na­li­tät, Emo­ti­on und mensch­li­chem Aus­druck zu er­zeu­gen. Ins­be­son­de­re der hy­bri­de Ge­sang mit sei­nen zahl­rei­chen ge­sang­li­chen Ver­zie­run­gen (die ja be­reits bei mensch­li­chen Sän­ge­rin­nen und Sän­gern auf m.E. un­er­träg­li­che Wei­se eine an­geb­li­che emo­tio­na­le Tie­fe zur Schau stel­len,) ist zu­nächst sehr fas­zi­nie­rend und dann rasch zu­tiefst er­schüt­ternd, da die­se ge­hör­te und mög­li­cher­wei­se mit­ge­fühl­te Emo­tio­na­li­tät hier nur aus der Tie­fe des sorg­fäl­tig ge­strick­ten Pro­gramm­codes kom­men.

Der Film könn­te dann Aus­gangs­punkt für eine Be­schäf­ti­gung mit po­pu­lä­rer Mu­sik und ih­rer me­dia­len Dar­stel­lung sein. Die hier vor­ge­stell­te sin­gen­de Ma­schi­ne kann fünf "num­ber-one bal­lads from the 1990s" sin­gen. Und auch, wenn im Film nicht alle vor­ge­führt wer­den, könn­te der Ge­sang der Ori­gi­nal-Mu­sik­vi­de­os mit dem ma­schi­nel­len Ge­sang ver­gli­chen wer­den: Wo lie­gen die Un­ter­schie­de? Wel­cher Ge­sang ist echt? Wel­che der in den Songs aus­ge­drück­ten Ge­füh­le sind wahr? Wor­an ma­chen wir Echt­heit und Wahr­heit fest? Oder die für alle Bal­la­den-sin­gen­den Stars und ihre zahl­rei­chen Fans mög­li­cher­wei­se ver­hee­ren­de Fra­ge, was die­se In­stal­la­ti­on über die Sub­stanz und Be­liebt­heit der Ori­gi­nal­songs aus­sa­gen möge.

Whit­ney Hou­ston: I Will Al­ways Love You
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R. Kel­ly: I Be­lie­ve I Can Fly
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Toni Br­ax­t­on: Un-Break My He­art
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Bryan Adams: (Ever­ything I Do) I Do It For You
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Cé­li­ne Dion: My He­art Will Go On
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Der Film könn­te dann eine Dis­kus­si­on über Mensch und Ma­schi­ne aus­lö­sen: Wor­an kön­nen wir mensch­li­chen und ma­schi­nel­len Ge­sang un­ter­schei­den? Und wei­ter­füh­rend: Wor­an kön­nen wir mensch­li­ches und ma­schi­nel­les Ver­hal­ten un­ter­schei­den? Wor­in un­ter­schei­den sich Mensch und Ma­schi­ne? Ist es wün­schens­wert, dass die­se Un­ter­schie­de im Lau­fe ei­ner tech­ni­schen Ent­wick­lung ein­ge­eb­net wer­den? Hier könn­te sich eine Be­schäf­ti­gung mit von Alan Tu­ring ent­wickel­ten "Tu­ring-Test" und der Fra­ge nach künst­li­cher In­tel­li­genz an­schlies­sen. Al­ler­dings ist hier mit der Si­mu­la­ti­on von mensch­li­cher Emo­tio­na­li­tät eine neue Schwel­le über­schrit­ten, die so­gar noch wei­ter geht als die Si­mu­la­ti­on mensch­li­cher In­tel­li­genz. Was macht den Mensch zum Mensch?

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur In­stal­la­ti­on gibt es auf der Web­site von Mar­tin Backes:
www​.mar​tin​backes​.com/​p​o​r​t​f​o​l​i​o​/​w​h​a​t​-​d​o​-​m​a​c​h​i​n​e​s​-​s​i​n​g​-​of/

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